Zum Start des Themenjahres 2016 der Antidiskriminierungsstelle des Bundes haben die 630 Abgeordneten des Deutschen Bundestages den Bericht „Gläserne Wände“ zur Benachteiligung nichtreligiöser Menschen in Deutschland erhalten.
Mehr als 26 Millionen Menschen in der Bundesrepublik – rund ein Drittel der Bevölkerung – gehören zu keiner Konfession und ihre Zahl wächst stetig. Die große Mehrheit dieser Bürgerinnen und Bürger besitzt nichtreligiöse Lebensauffassungen, die von humanistischen Prinzipien und Wertvorstellungen geprägt sind. Doch wer in Deutschland keiner Kirche oder anderen großen Religionsgemeinschaft angehört, hat oftmals die schlechteren Karten: auf dem Arbeitsmarkt, im Bildungssystem, in der Politik, in den Medien und in der öffentlichen Wahrnehmung.
Zum Beginn des diesjährigen Themenjahres der Antidiskriminierungsstelle des Bundes unter dem Titel „Freier Glaube. Freies Denken. Gleiches Recht.“ (www.glaube-denken-recht.de) am heutigen Tag ist darum der Bericht „Gläserne Wände“ an die 630 Abgeordneten des Deutschen Bundestages übergeben worden.
Die im September 2015 erstmals in Berlin vorgestellte Broschüre beschreibt auf rund 100 Seiten, in welchen Bereichen Bürgerinnen und Bürger ohne religiöse Lebensauffassung benachteiligt werden und sie verweist auf aktuelle Konfliktfelder. Sie erläutert politische und rechtliche Hintergründe des Status quo und nennt Fallbeispiele. Komplettiert werden die Darstellungen durch Vorschläge, wie die Politik Benachteiligungen abbauen könnte, sowie durch O-Töne konfessionsfreier und nichtreligiöser Menschen aus ganz Deutschland und eine Auswahl relevanter statistischer Befunde.
Denn auf die sich weltanschaulich seit langem wandelnde Gesellschaft haben Politik und Gesetzgeber – auf Bundes- und auf Länderebene – bisher überwiegend zögerlich und nicht selten auch abwehrend reagiert. Diese Feststellung vertritt nicht nur der Humanistische Verband. So heißt es dazu in dem 17. März 2016 veröffentlichten Abschlussbericht der Kommission „Weltanschauungen, Religionsgemeinschaften und Staat“ von Bündnis 90/Die Grünen: „Religions- und Weltanschauungspolitik muss auf die veränderte Wirklichkeit der religiösen Landschaft antworten, aber auch all diejenigen berücksichtigen, die sich als religions- und weltanschauungsfrei betrachten. Doch eine hierauf gerichtete Politik findet faktisch kaum statt.“
Der Humanistische Verband hat nun den Bericht „Gläserne Wände“ an die Bundestagsabgeordneten übergeben, um das Bewusstsein und Wissen zu den vielfältigen, systematischen und teils gravierenden Formen der Benachteiligung nichtgläubiger Menschen zu verbessern.
Frieder Otto Wolf, Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands, sagte anlässlich der Übergabe in Berlin: „Der vor kurzem erschienene Grünen-Bericht mit zahlreichen Reformvorschlägen zum Verhältnis zwischen Staat und Religionen unterstreicht ganz aktuell, dass eine Politik des bloßen Weiter-So bei diesen Themen keine zukunftsfähige Politik ist. Keine demokratische Partei darf länger den unübersehbaren Wandel in der Gesellschaft ausblenden. Politische Antworten, die auch für Wählerinnen und Wähler mit nichtreligiöser Lebensauffassung plausibel und nachvollziehbar erscheinen, stehen allerdings bislang weitgehend aus.“
Er betonte, dass Humanistinnen und Humanisten sich für ein gleichberechtigtes, selbstbestimmtes und bevormundungsfreies Zusammenleben aller Bürgerinnen und Bürger und gegen Benachteiligungen aufgrund eines religiösen bzw. weltanschaulichen Bekenntnisses einsetzen. „Doch viele konfessionsfreie Menschen, die zweifellos ebenso wertvolle Beiträge für unsere Gesellschaft erbringen wie konfessionell bzw. in Religionsgemeinschaften organisierte Menschen, müssen leider sehen, dass in Deutschland für sie immer noch gilt: gleiche Pflichten, aber weniger Rechte. Dies steht den Vorgaben des Grundgesetzes entgegen und bricht mit den Prinzipien und Werten einer offenen, demokratischen Gesellschaft. Wir fordern die Mitglieder des Deutschen Bundestages eindringlich auf, die ‚gläsernen Wände‘ endlich abzubauen“, so Wolf.
Eine Antwort auf „Gleiche Pflichten – gleiche Rechte!“
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